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Die Ausstellung

Ein besonderer Blick auf die 80er Jahre

Im Internationalen Zeitungsmuseum zeigt Achim Ferrari Fotos. Am kommenden Samstag wird die Ausstellung eröffnet.

VON SABINE ROTHER

AACHEN Hausbesetzerszene und Studentenproteste – die gewappnete Polizei positioniert sich, am Templergraben, Baulücken – schwarze Wunden klaffen im Stadtbild, Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, lächelnde Reklame-Schönheiten, die vom Zigarettenrauchen schwärmen: „Leben und Alltag in Aachen – Fotos aus den 80er Jahren von Achim Ferrari“ ist der Titel einer Ausstellung, die das Internationale Zeitungsmuseum (IZM) Aachen (Pontstraße 13) am 24. September, 12 Uhr, im Rahmen der Aachener Kunstroute eröffnet.

Bis zum 12. Februar des kommenden Jahres kann man mit Ferrari, Jahrgang 1950, durch ein Aachen gehen, das Überraschungen und unerwartete Einblicke in 50 Motiven bietet. Ab 1971 hat Ferrari an der RWTH Aachen Architektur studiert und mit dem „Diplom-Ingenieur“ abgeschlossen.

Bewegende Poesie

Die Ausstellung hat dokumentarischen Charakter und zugleich einen bewegende Poesie, hält Stimmungen, Befindlichkeiten, häufig Menschen und Situationen in ungeschönten Momenten fest. „Es ist meine erste umfangreiche Ausstellung, obwohl ich das schon so lange mache“, betont Ferrari, der versichert: „Keines der Fotos ist gestellt, alle zeigen konkretes Leben.“

Als freier Fotograf war Ferrari, später Mitherausgeber der Stadtzeitung „Klenkes“ und politisch bei den Grünen aktiv, stets in Begleitung seiner „Nikon F2“, eine Kamera, auf die er bis heute schwört. Er konnte schnell reagieren und selbst in brenzligen Situationen Ruhe bewahren.

„Ich hatte bei besonderen Ereignissen meistens jemanden dabei, der hinter der Absperrung bereitstand, um mir Filme abzunehmen, bevor mir das Fotografieren verboten wurde“, erinnert er sich. Angst? Nein, nie. „Ich hatte so viel Adrenalin im Blut, da habe ich nichts gespürt“, lächelt er.

Ob Karlspreis, Karneval, Sport oder Wahlkampf – Ferrari war da, hat gesehen und häufig die Skurrilität einer Situation eingefangen, dabei blitzschnell gehandelt. Da entdeckt er kuriose Namen wie „Milchsack“ oder „Bülles“, fotografiert die Toilettenfrau, die einst eine WC-Anlage unter dem Katschhof betreute, fängt die Blicke von Menschen auf, die ihn bemerken aber nicht ausweichen.

Eine alte Frau schaut auf den Katschhof, der von einem Schützen-Zelt nahezu geschluckt wird. „Eine Stadtstreicherin, sie blockieren ihr Wohnzimmer“, erinnert sich Ferrari. Daneben ein Mädchen, das diese Frau beobachtet und sich wundert.

Man sieht einen gebieterisch deutenden ehemaligen Oberbürgermeister Kurt Malangré unter mächtigen „CDU“-Lettern, findet längst vergangene Szenerien, wie das surreal beleuchtete Leben in der Unterführung zwischen Peterstraße und Kurhausstraße oder junge Menschen, die im Weiher an der Burg Frankenberg plantschen, während eine Kapelle spielt und bei der Heiligtumsfahrt lange leere Biertischbänke mit Zetteln „Reserviert für Bischöfe“.

„Das sind Zeitdokumente, die gut zu unserer Sammlung passen“, freut sich Andreas Düspohl, Leiter des IZM, über diese wertvollen, ungeschönten und doch ästhetisch spannenden Arbeiten – übrigens alle durch Ferrari von Hand in der eigenen Dunkelkammer abgezogen.

Ob es der Süßigkeiten-Automat ist, der in kreisförmig angeordneten, verbeulten Fächern Naschwerk anbietet, oder die Schlange vor einer Telefonzelle und Menschen mit krausen Dauerwellen – Ferrari zeigt, wie sich in gut 40 Jahren manches verändert hat – und manches nicht. „Ich lerne diese Stadt neu kennen“, sagt Professor Frank Pohle, Leiter der Route Charlemagne, und er bestätigt. „Sie haben gesehen, was viele nicht gesehen haben.“

Ferraris Bilder können angespannt und bedrohlich nah, fast düster sein, aber zudem berührend – das kleine Textilgeschäft etwa am Hof in Dom-Nähe: zwei sorgfältig sortierte Schaufenster, rechts für Männer mit Krawatten und Westen, links für Frauen mit Schürzchen, Nähzeug, Knöpfen und Kitteln – was die gute Hausfrau so braucht.

Rund 100.000 Motive

„Ich bin ein Beobachter, aber ich fühle mich nicht als Künstler“, meint Ferrari zurückhaltend. Als er sein Fotoarchiv sortierte, kam er auf rund 300.000 Fotografien und rund 100.000 Motive. „So einen Ausstellung bedeutet für mich Wertschätzung“, sagt er offen. Im Zeitungsmuseum, das verspricht Pohle, geht es demnächst mit den Realitäten weiter. So wird es 2023 um spannende Themen wie „Grauzonen“ und „Fake News“ gehen.

INFO

Eröffnung ist am
Samstag, 24. September

„Leben und Alltag in Aachen – Fotos aus den 80ern von Achim Ferrari“. Die Ausstellung im Internationalen Zeitungsmuseum Aachen, Pontstraße 13, wird am Samstag, 24. September, 12 Uhr, eröffnet. Sie ist zu sehen dienstags bis sonntags und an den Feiertagen von 10 von 17 Uhr. Weitere Infos unter www.izm.de.